Dorothea Ronneburg arbeitet als freie Bühnen- und Kostümbildnerin. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt bei ortsspezifischen Interventionen in öffentlichen und halböffentlichen Räumen. Eine kontinuierliche Zusammenarbeit verbindet sie unter anderem mit dem Theaterkollektiv matthaei & konsorten. Wir haben mit Dorothea über ihre Zeit am Masterstudiengang Bühnenbild_Szenischer Raum und über ihre künstlerische Tätigkeit seitdem gesprochen.
Du hast von 2008-2010 am Masterstudiengang Bühnenbild_Szenischer Raum studiert. Konntest Du schon während des recht praxisorientierten Studiums an der TU Kontakte in die Praxis knüpfen?
Ja, das ist ein großes Glück. Ich habe schon während des Studiums meinen Regiepartner gefunden und wir arbeiten seither zusammen. Als Bühnenbildner*in arbeitet man sehr persönlich und sehr intensiv im Bereich einer gemeinsamen Idee, wenn es eine gute Partnerschaft ist. Das ist ein besonderes Verhältnis. Man durchlebt Zeiten großer Intensität.
Gibt es etwas, das du heute anders machen würdest?
Das Praxisorientierte habe ich wie oben schon als sehr wichtig hervorgehoben. Allerdings blieb für mich das Utopische dadurch eher im Hintergrund. In meinem Erststudium habe ich an einer Kunstakademie studiert, hier war es umgekehrt. Das Ringen um eine Idee, eine Innovation war alles. Aber davon zehre ich noch heute. Würde ich noch einmal an der TU studieren, würde ich versuchen mehr in die Utopie zu gehen und die Realisierbarkeit länger außen vor lassen, denn nur in dieser besonderen Zeit eines Studiums ist es möglich.
Du hast vorher Innenarchitektur studiert – hattest du zu Studienbeginn an der TU schon deinen jetzigen Beruf im Kopf? Mit welcher Erwartung hast du das Studium begonnen? Haben sich deine Ziele während des Studiums geändert?
Ja und nein. Ich dachte schon einmal klassisch Theater oder Musiktheater zu bebildern. Allerdings hat mich der interdisziplinäre Bereich, insbesondere jener der die Stadt als Bühne begreift, schon vor dem Studium sehr interessiert. Als sich über den Künstler Jörg Lukas Matthaei eine Möglichkeit ergab hier Erfahrung zu sammeln, war ich sofort voll Leidenschaft dabei. Für die Ausstattung seiner groß angelegten Projekte, die partizipativ und ortsspezifisch sind, habe ich mittlerweile viel Erfahrung. Das spannende ist, dass sich meine Berufe hier ideal verbinden lassen. Als Innenarchitektin habe ich die Architektur sich aus Innenräumen entwickeln lassen und nicht von Außen drauf geschaut. Diese Haltung habe ich mir bewahrt und wende sie in allen Gestaltungsaufgaben an.
Was war das Besondere am Studium an der TU Berlin? Was hat es bedeutet, neben dem Studium in einer kulturellen Metropole wie Berlin zu leben?
Am bedeutsamsten ist die Erfahrung als Team zu arbeiten. Darüber sind echte, tiefe Freundschaften entstanden. Das ist ein unschätzbarer Wert und ich freue mich immer wieder darüber. Ich bin nach dem Studium aus meiner ‚alten Heimat’ weggezogen und lebe jetzt im Umland von Berlin. Das tolle an dieser Stadt ist, dass sich über die Verdichtung ihrer Kulturleistung eine Art geistige Energie sammelt, die immer wieder neue virulente und kritische Geister anzieht. Das bedeutet, man ist gefordert eine ganz andere Denkleistung zu bringen und ist immer wieder auf’s Neue inspiriert. An dieser Stelle ein sorgenvolles Seufzen: Das müssen wir Kulturschaffenden uns unbedingt bewahren!
Wie sehen deine Arbeitsfelder aus? Mit welchen Partnern, an welchen Orten arbeitest du ? Ist dein Berufsalltag gut mit deinem Privatleben vereinbar?
Unsere Auftraggeber sind Stadttheater, Festivals und lokale Kunstförderer, wie zuletzt ‚Urbane Künste Ruhr’, die unser Projekt ‚COOP 3000 – eine neosolidarische concerngruendung’ produziert haben. Hauptsächlich arbeite ich in anderen Städten, und seit ‚Crashtest Nordstadt’ 2012 in Dortmund gibt es einen Schwerpunkt im Ruhrgebiet. Wir müssen uns in der Regel selbst den größten Teil unserer Infrastruktur suchen und herstellen, was recht anstrengend ist, Glück und Unterstützer braucht, aber auch eben Erfahrung. Man lernt dadurch so eine fremde Stadt und ihre Bewohner ganz gut kennen. Als Ausstatterin für matthaei & konsorten gestalte ich im Grunde alles, was man sieht, anziehen oder in die Hand nehmen – manchmal sogar essen – kann. Ich suche und bewerte auch die Spielorte und durch diese Tätigkeit habe ich ein ganz anderes Bild von Deutschland bekommen. Deutschland auch als Armenhaus, dessen Bewohner, zum Teil ja dann unsere Akteure, sich als großartig andersartige Menschen entpuppen. Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Das ist eine echte Bereicherung.
Schwierig finde ich die zum Teil stiefmütterliche Art wie unsere experimentellen Projekte von den deutschen ‚Kulturbehörden’ behandelt werden. Immer noch ist es eine Pionierarbeit innerhalb einer Stadttheater-Struktur als Regieteam ernst genommen zu werden. Es bedeutet auch, immer wieder, die Ursuppe neuer Theaterformen zu erklären und braucht viel Geduld und Kommunikation. Die Hoffnung ist, dass unsere Arbeit nach dem großen Hype des partizipativen Theaters als eine anerkannte künstlerische Arbeit gesetzt wird, die neben ihrem Unterhaltungswert sehr nachhaltig auch politische und soziale Effekte hat.