Raimund Schucht realisiert Räume und Bühnenbilder unter anderem für die Berliner Agentur TRIAD und die Movimentos Festwochen Wolfsburg. Nach seiner Ausbildung zum Raumausstatter und dem darauffolgenden Architekturstudium studierte er von 2013 bis 2015 am Masterstudiengang Bühnenbild_Szenischer Raum der TU Berlin.
Du hast vorher Architektur studiert – hattest du zu Studienbeginn an der TU schon deinen jetzigen Beruf im Kopf?
Schon im Architekturstudium habe ich gemerkt, dass die klassische Architektur nicht mein Weg sein wird. Daher war ich recht früh auf der Suche nach einer Alternative, die meine Erfahrungen aus der Raumausstatter-Ausbildung und dem Studium vereint. Da war der starke Wunsch, Medien und Architektur zu verbinden – so habe ich schon als Student in Agenturen gearbeitet, die auf virtuelle und interaktive Räume spezialisiert waren. Nach einigen Jahren Agenturleben verspürte ich dann das Bedürfnis, Räume mit Inhalt und Leben zu füllen, Räume lebendig werden zu lassen, sie mit Geist und Emotionen aufzuladen. So kam das Thema Szenografie ins Spiel.
Mit welcher Erwartung hast du das Studium begonnen?
Ich ging eigentlich ohne große Erwartungen in das Masterstudium, wobei man das nicht falsch verstehen darf! Für mich war es ein Privileg nochmal zu studieren. Mein Ziel war daher, einfach so viele Impulse wie möglich mitzunehmen. Der künstlerische Umgang mit Raum trat mehr und mehr in den Vordergrund. Am Ende des Studiums hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass jetzt meine gesamten Vorbildungen in einer Profession zusammenkommen – meine vielen beruflichen Umwege ergaben endlich einen Sinn! Das ist ein sehr gutes Gefühl, was bis heute anhält.
Welche Schwerpunkte hast du in deinem Studium gelegt? Lag dein Interesse eher im Bühnenbild oder im Szenischen Raum?
Meinen Schwerpunkt legte ich anfangs noch auf den Bereich „Szenischer Raum“, wobei mein Interesse zu Beginn noch stark auf der digitalen Interaktion lag. Im Laufe des Masterstudiums entwickelte ich eine Neugier dafür, wie man Inhalte und Interaktion miteinander verschmelzen kann. Wobei die Ansätze auch analog sein konnten. Für mich war es zunächst wichtig, alte Denkmuster zu hinterfragen und neue Ideen zuzulassen. Mein Ziel war, die eher strukturelle planerische Architektur loszulassen, die Grenzen der stark digital geprägten Architekturprozesse aufzubrechen und künstlerische Aspekte, z. B. Malerei oder Modellbau, in mein kreatives Schaffen einfließen zu lassen. Neue Denkanstöße bekam ich durch Kommilitonen bzw. Dozenten, die alle aus den unterschiedlichsten Bereichen kamen, und durch das von mir zuvor noch recht unbeachtete Feld der Gestaltung von Bühnenbildern. Besonders die Auseinandersetzung mit den Bühnen von Hans Dieter Schaal und des Bauhauses unter Oskar Schlemmer führte mich zu neuen Gedankengängen. Gerade deren Transformation von architektonischen Mitteln in Bühnenbilder bzw. Kostümbilder und Szenografien fand ich inspirierend. Diese starken Inspirationen aus dem Bühnenbildbereich fließen bis heute in meine Gestaltungsprozesse ein – sei es für eine Ausstellung, einen Messestand oder eine Markenwelt.
Was war das Besondere am Studium an der TU Berlin?
Für mich war das Besondere vor allem die Menschen hinter dem Masterstudiengang: Die Vielseitigkeit der kulturellen und beruflichen Herkunft der Kommilitonen und Dozenten brachte ein reges und inspirierendes Studentenleben. Die praxisbezogene Ausbildung hat mir geholfen, internationale Kontakte zu knüpfen. Die künstlerische Herangehensweise und die analoge handwerklich-künstlerische Darstellung von Inhalten beflügelte mich zu neuen Ideen.
Konntest du schon während des recht praxisorientierten Studiums an der TU Kontakte in die Praxis knüpfen? Wie ging es nach dem Studium weiter, wie sah dein Einstieg in die Praxis aus?
Ich habe früh im Studium die vorhandenen Kontakte zu Kooperationspartnern genutzt oder neue geknüpft. Mein Einstieg in das Agenturleben begann schon während des Studiums an der TU. Im dritten Semester konnte ich dank der Hilfe von zwei meiner Dozenten Kontakt zu TRIAD aufbauen, eine Berliner Agentur für Kommunikation im Raum. Dort habe ich dann mein studienbezogenes Praktikum absolviert. Seitdem bin ich freiberuflich überwiegend für TRIAD tätig. Die ersten Schritte im Bereich Bühnenbild kamen auch über die Studiengangsleitung zustande. Für die Töpferstiftung konnte ich mit zwei Kommilitonen ein Bühnenbild für die Preisverleihung des KAIROS-Preises am Staatstheater Hamburg realisieren. Ebenfalls über den Studiengang entstand der Kontakt zur Movimentos Akademie. Seitdem haben wir als Alumni-Team mehrere Bühnenbilder für das Movimentos Festival am Theater Wolfsburg realisiert.
Was gefällt dir besonders an deinem Beruf?
Mir gefällt besonders die Vielseitigkeit dieses Berufs. Um alle Facetten richtig erleben zu können habe ich mich entschlossen, mich als Freiberufler selbstständig zu machen. Heute arbeite ich nicht nur in Kreativagenturen für Kommunikation im Raum sondern auch für kulturelle Institutionen. Da kommen wirklich zwei verschiedene Welten zusammen! Die Mischung aus Bühne und Szenografie hilft mir, immer einen anderen Blick auf die jeweilige Aufgabe zu haben. Im Vergleich zur klassischen Architektur ist das Arbeiten an szenografischen Projekten viel schnelllebiger. Ich mag das sehr gerne, da man sich mit immer neuen Inhalten und spannenden Themen auseinandersetzen darf. Und irgendwie mag ich auch das stetige Unterwegssein. Die Rastlosigkeit spornt mich an.
Gibt es etwas, das du heute anders machen würdest?
Heute würde ich die internationalen Möglichkeiten, die der Studiengang und das Netzwerk der internationalen Studierenden bietet, noch mehr nutzen. Neben dem regulären Lehrbetrieb mit Vorlesungen und Praxisprojekten bietet das Studium noch viele zusätzliche Möglichkeiten der Weiterbildung. Zum Beispiel gibt es das von Prof. Albert Lang gegründete Interdisziplinäre Raumlabor, das vielseitige Entfaltungsmöglichkeiten über den regulären Stundenplan hinweg ermöglicht. In studien- und themenübergreifenden freien Projekten kann man dort nochmal einen anderen Blick auf die Dinge werfen. Als ich noch Student war, war mir der Wert solcher Angebote noch nicht klar. Heute würde ich solche Chancen viel mehr nutzen und sie mehr in mein Studium integrieren. Im Grunde bin ich aber sehr zufrieden. Nochmal in einem weiterbildenden Master zu studieren war ein großer Luxus und eine enorme Bereicherung.
Welche Tipps würdest du jemandem geben, der in einer Agentur erfolgreich werden möchte?
Der Begriff Szenografie bietet viele Interpretationsspielräume. Um sich in der Agenturwelt zu behaupten, hilft es, sich mit seinem Profil klar zu positionieren: Wo liegen die eigenen Stärken? Welche Vorbildung bringe ich mit ein? Als angehender Szenograf kann man vielfältig tätig werden, zum Beispiel im Bereich Konzeption, Narration im Raum oder auch als Gestalter von inszenierten Räumen.
Das Studium bietet viele Ausgangsmöglichkeiten, die erst reflektiert und erforscht werden müssen. Ich kann frisch gebackene Absolventen verstehen, wenn sie etwas verunsichert in das Berufsleben gehen. Meines Erachtens hilft es, hartnäckig zu bleiben und stets an die eigene Stärken zu glauben – jeder Traum und jede Stärke findet ihren Platz!
Mir hat die Erkenntnis geholfen, dass mein ganzer bisheriger beruflicher Weg mit dem Masterabschluss eine Symbiose ergibt. Am Ende wurde mir klar, dass irgendwie doch alles zusammengehört und seine Berechtigung hat. So will ich mich auch nicht festlegen, ob ich eher als Szenograf in einer Agentur oder als Bühnenbildner am Theater arbeiten will. Beides hilft mir jeweils für die andere Arbeit. Diese Vielseitigkeit nehme ich mit auf meinen Weg, und sie hilft mir, neue Schritte zu gehen. Es hört sich zwar etwas traumtänzerisch an, aber nichts ist falsch – es benötigt nur die richtigen Umstände und Zielvorstellungen, die man für sich entwickeln muss. Und manchmal hilft es, auch mal nicht auf gesellschaftliche Konventionen oder auch Dozenten zu hören und einen ganz anderen Weg zu gehen.