Bogna Grazyna Jaroslawski

Bogna Grażyna Jaroslawski arbeitet als Bühnenbildnerin, Dozentin und Installationskünstlerin im internationalen Kontext. Sie ist Mitgründerin der NGO Masterpiece for Good und realisiert sozial engagierte Kunstprojekte im öffentlichen Raum. 2009/10 und 2015 studierte sie Bühnenbild_Szenischer Raum an der TU Berlin.

Du hast zunächst Deutsche Literatur und Theaterwissenschaften studiert. Wie kam es zur Entscheidung, danach Bühnenbild_Szenischer Raum zu studieren? Haben sich deine Ziele währenddessen verändert?

Ich hatte zu Beginn meiner Laufbahn einiges ausprobiert bevor ich mich fürs Bühnenbildstudium entschied. Theater war mein Ziel gewesen, aber ich wollte die verschiedenen Bereiche zunächst über Praktika besser kennenlernen. Ich konnte Neuere Deutscher Literatur an der TU Berlin und Theaterwissenschaften an der FU Berlin im Magisterstudium kombinieren – damals war das System noch flexibler. Davor war ich in Kunstgeschichte eingeschrieben, aber das war mir zu einseitig – die Praxis bestand darin, Museumsbilder zu diskutieren. Das hatte mich irgendwann nicht mehr gereizt. Theater war für mich früh Teil meines Lebens. Ich habe in der Schulzeit selbst Theater gespielt, meine Mutter war klassische Balletttänzerin am Musiktheater in Gdynia (Danzig), aber ich entschied mich bewusst gegen einen Beruf „auf der Bühne“ – das braucht eine gewisse Persönlichkeit. Die Theaterwissenschaft an der FU war mein erster Annäherungspunkt an Theaterberufe, wie z.B. der Dramaturgie. Der Studiengang war sehr theoretisch, darum habe ich, wenn zeitlich möglich, Praktika gemacht, u.a. als Regieassistentin an der Staatsoper Berlin und später als Assistentin der Dramaturgie für Publikumseinführungen an der Komischen Oper Berlin. Das war mein erster bezahlter Job am Theater! Und ich habe zum Spaß als Stuntfrau gearbeitet und Todessprünge für Sängerinnen gecovert (lacht).

Also war Bühnenbild_Szenischer Raum für dich ein bewusster Schritt in eine praktische Richtung?

Ja, ich wollte mehr Praxis. Deshalb habe ich mich für dieses drittes Studium entschieden – diesmal ein Master, was mir gut gefallen hat, weil ich damit einerseits eine fundierte Ausbildung im alten Magister-System hatte und gleichzeitig den Einstieg ins neue Master-System geschafft habe. Bürokratisch war das aufwendig, aber es hat geklappt.

Hat dich der Studiengang Bühnenbild_Szenischer Raum gut auf den Beruf vorbereitet?

Ja, aber auf eine andere Art als gedacht – eher mental, denn ich musste das Studium aufteilen: Das erste Jahr war ich 2009 eingeschrieben, das zweite Jahr 2015, da ich in der Zeit dazwischen sechs Jahre für den leitenden Lehrstuhl der Theaterwissenschaft an der FU Berlin gearbeitet und parallel meine Magisterarbeit geschrieben habe. Der Abschluss parallel zur Arbeit war schon sehr aufwendig mit den vielen zusätzlichen schriftlichen und mündlichen Prüfungen. Das Bühnenbild-Studium war eher eine Begleitung, denn die realen Arbeitsbedingungen im Theater haben nicht viel mit dem Studium zu tun. Aber man konnte Netzwerke aufbauen, verschiedene Häuser und Arbeitsprozesse kennenlernen und Kontakte knüpfen. Ich durfte z.B. an den Landesbühnen Sachsen eine Produktion ausstatten. Dramaturgische Kurse – etwa bei Antje Kaiser oder Charlotte Tamschick – waren extrem inspirierend.

Hast du während des Studiums auch praktisch gearbeitet?

Parallel zum Studium war das kaum möglich – Theater sind extrem hierarchisch und in ihren Abläufen routiniert. Als Studierende wird man in die Rolle des Beobachtens gedrängt, weil man wenig Zeit für uns hat. Dennoch bemühte ich mich um Stellen während der Semesterferien oder reichte Urlaubssemester dafür ein – elf Praktika waren es insgesamt, alle unbezahlt. Damals war das normal, heute wäre das so zum Glück nicht mehr denkbar.

Hat sich die Theaterwelt in Bezug auf Geschlechterrollen verändert?

Grundsätzlich ist es noch wie vor 100 Jahren, nehme ich an – Ausnahmen bestätigen die Regel. Beim Bühnenbild verbleiben Frauen meist in der Assistenz oder verschwinden gänzlich nach ein paar Jahren, Männer erhalten aus dem Studium heraus wahrscheinlicher Aufträge als Frauen. Dabei liegt das Verhältnis bei zehn Absolventinnen auf einen Absolventen. Bühnenbild liegt zwischen Kunst und Technik – und in der Technik dominieren Männer – die Glasdecke existiert und ist schwierig zu durchbrechen. Auf den großen Bühnen sind meist Leute der Generation X tätig. Es dauert lange, dort hinzukommen, wenn man das überhaupt noch möchte.

Und du willst du das?

Das ist heute schwierig zu beantworten. Ich hatte während der Pandemie das Glück, an der Staatsoper Berlin fest zu arbeiten, während viele freie Kolleg*innen Berufsverbot hatten. Aber psychisch war es eine harte Zeit – Theater galt während Corona aufgrund der Versammlungsverbote als „nicht systemrelevant“. Das hat vieles verändert, auch meinen Blick auf den Beruf. Vieles ist nach der Pandemie wieder in alte Strukturen zurückgefallen und man hat die Chance auf Veränderung verpasst. Der Markt ist härter geworden, Mittel werden gekürzt. Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Thema, aber bedeutet in unserer Realität: weniger Bühnenbild – weniger Aufträge für uns.

War das auch ein Grund für die Gründung deiner NGO „Masterpiece for Good?

Nein, aber es hat mich definitiv bestärkt. Ich habe seit meiner Jugend Workshops gegeben – das kam über meine Mutter, die selbst unterrichtete. Kulturelle Bildung und war früh mein drittes Standbein. Ich hatte während des Studiums damit begonnen für die Schulen, kirchliche Träger oder gemeinnützige Vereine kulturelle Bildungsprojekte anzubieten und das hat sich mit den Jahren verstetigt und weiterentwickelt. Irgendwann kamen Einladungen aus dem Ausland und von Hochschulen um als Dozentin tätig zu sein.
Später begriff ich, dass man als Einzelperson bei größeren Projekten an klare Grenzen stößt. Man braucht ein Team, eine gemeinnützige Struktur – und die bietet eine NGO. Mit der Struktur wird man schlagartig als Vertreterin einer Organisation wahrgenommen, das Standing verändert sich, man kann ganz andere Fördergelder beantragen und vor allem mit anderen Partnern kooperieren. Heute arbeite ich überwiegend im öffentlichen Raum – installativ und gesellschaftsbezogen. Ich war international in Südafrika, Indien, Japan, Indonesien tätig. Aktuell bereite ich mit „Masterpiece for Good“ ein mehrmonatiges Projekt in Avignon und Mazan Frankreich vor.

Und gleichzeitig kannst du bestimmen, für wen du arbeitest anders als an Theatern?

Ja. An großen Häusern herrscht eine strenge Hierarchie mit oft bürgerlich distanziertem Publikum. In internationalen Projekten ist die Zusammenarbeit oft direkter, menschlicher, lebendiger und zeitgenössischer. Mir ist es wichtig, eigene Ideen umzusetzen – in Kooperation mit Anderen und derer Ideen. Themen, die gesellschaftlich oder politisch wirklich relevant sind, sprechen mich heute mehr an als die Wiederinszenierung 250 Jahre alter Werke.

Wie sieht dein Berufsalltag heute aus?

Ich achte auf eine Trennung zwischen Arbeit und Privatleben. Früher war das anders – da war alles Theater! Jetzt habe ich mehrere „Bubbles“: Oper, Kulturelle Bildung, meine eigene Kunst und die NGO. Die Weiterentwicklung der Gründung ist ein Vollzeitjob, aber meine Co-Gründerin und ich teilen uns gut auf. Und wenn ich eine Pause brauche, nehme ich sie mir.

Überwiegt heute das Organisatorische oder das Kreative?

Beides. Gestern hatte ich eine Ausstellungseröffnung mit meiner eigenen Kunst, heute kommt die nächste, die ich als Dozentin geleitet habe – das Kreative nimmt zu! Nach der Pandemie ist das auch wichtig für mich. Aber mit der NGO bin ich auch plötzlich Geschäftsführerin geworden – das ist schon ein Kontrast!

Rückblickend: Was bedeutete der Studiengang für dich?

Positiv war auf jeden Fall die Vielfalt der Studierenden. Wir kamen aus ganz verschiedenen Richtungen. Zwei Jahre waren zu kurz – ein Semester allein war nur der Abschluss. Aber das Atelier war ein großartiger Ort – dort konnte man seine Themen und Ideen entwickeln und jederzeit hingehen.

Hast du noch Kontakt zu ehemaligen Mitstudierenden?

Ja, vereinzelt. Die meisten haben sich beruflich anders entwickelt, aber es gibt Freundschaften, die bis heute bestehen.

Was würdest du heutigen Studierenden raten?

Nutzt so viel wie möglich die Ateliers! Seid kreativ, probiert aus, kooperiert mit anderen. Diese Freiheit gibt es später selten wieder. Und: Konkurrenz ist oft nur im Kopf. Man kann sich seine eigene Position schaffen. Man muss nicht alles mitmachen, sondern schauen, was zu einem selbst passt.

Und für den Berufseinstieg?

Netzwerken – auch digital. Viele Leute schreiben mich heute direkt über Instagram oder LinkedIn an, weil sie meine Arbeit gesehen haben. Das ist effektiv. LinkedIn ist vielleicht nicht „künstlerisch“, aber ich bin eben auch eine Unternehmerin als Freischaffende. Wenn du jemanden inspirierend findest – schreib ihn oder sie an. Man kann nichts verlieren, sondern nur dabei gewinnen. In der Assistenz arbeitest man zuerst weniger kreativ; man organisiert und koordiniert. Ob das zu dir passt, musst du selbst herausfinden.

Würdest du rückblickend etwas anders machen?

Nein. Es ist ein Weg mit vielen Freiheiten, aber klar, finanziell auch eine Achterbahn. Du hast zwar die Freiheit deine Projekte selbst zu gestalten, aber wenn du nichts startest, passiert auch nichts. Das ist eine wichtige Erkenntnis. Streckenweise unterrichte ich Kunst und gebe gelegentlich Seminare an Hochschulen – das ist ein Job, der nicht 100 % künstlerisch sondern mehr pädagogisch ist, aber das gehört heute für mich dazu. Ich kann es mir erlauben flexibel zu sein, kann Aufträge auch ablehnen und verfolge die Dinge, die mir wirklich was bedeuten, wie die NGO.

Zum Schluss ein Gruß an die TU?

Ich freue mich darüber, dass der Kontakt zu uns Alumni gehalten wird! Ich finde es auch spannend, wie sich neue Berufsbilder entwickeln – etwa durch Virtual Reality. Das kann eine neue Bühne für das Bühnenbild sein.

Vielen Dank Bogna und viel Erfolg für dein zukünftiges Schaffen!

Interview von Peter Teller, 26. Juni 2025